Nun ist Picasso schon seit Februar 2021 bei uns im Tierheim. Er wartet sehnsüchtig auf ein neues Zuhause. Der mittlerweile 4 Jahre junge Herdenschützer bringt aber etwas Arbeit mit sich.

So hübsch er auch ist, die Rasse Herdenschutzhund, die zwangsläufig eine gewisse Größe des Hundes mitbringt, scheint die meisten Leute doch abzuschrecken. Zudem kommt hierbei noch der Charakter hinzu.

Damit ist nicht gemeint, dass alle Herdenschutzhunde einen schwierigen Charakter haben, es gibt aber gewisse Eigenschaften auf die besonders zu achten ist. Bei „Picasso“ ist das Thema Ressourcenverteidigung wohl der Punkt, der am meisten Gewicht hat und das meiste Training erfordert. Sein Futter beispielsweise teilt er nämlich überhaupt nicht gerne.

Wenn man sein Verhalten aber hier von Februar 2021 bis heute vergleichen würde, kann man eine deutliche Verbesserung vermerken. Zu Anfang wurden von Picasso nämlich auch Spielzeug, Gartenwerkzeuge oder andere Gegenstände einfach aus Prinzip so wichtig gemacht, dass man diese ja verteidigen musste. Dieses Verhalten zeigt sich heute nur noch wirklich selten. Dies wenn auch nur noch bei Menschen, zu denen Picasso noch keine Bindung aufgebaut hat.

Man kann mit ihm mit Spielzeug spielen und es ihm wegnehmen, ohne dass es zu Auseinandersetzungen kommt.

Das Thema Futter ist noch mal eine andere Geschichte.

Auch hier zeigen sich aber deutliche Verbesserungen. Picasso hat ziemlich schnell bei uns lernen müssen Maulkorb zu tragen und auch damit fressen und trinken zu können. Dies stellte sich aber nicht als Problem dar. Anfangs war die Fütterung bei ihm sehr spannend, da er einen kurzen Geduldsfaden hatte und ziemlich schnell klarstellen wollte, dass nur ihm alleine das Futter gehört. Blaue Flecken blieben da bei den Tierpflegern nicht aus. Man musste diese Situationen mit ihm aushalten.

Von: „ Ich falle dich bereits an, nur weil du den Futternapf in den Händen hältst. Was glaubst du eigentlich wer du bist“;

zu „Hey wie geht’s. Ach du bringst mir Frühstück. Wie nett von dir. Dann setz ich mich mal hin und warte“ ist eine gewisse Zeit mit Training vergangen.

Man kann mit Picasso gut trainieren. Auch wenn es um seine Ressourcenverteidigung  bezüglich Futter geht. Dafür muss aber zunächst einmal die Bindung zu ihm aufgebaut werden. Der Mensch , der mit „Picasso“ agiert, trainiert oder sich im Allgemeinen mit ihm beschäftigt, muss ihm zeigen, dass der Mensch die Grenzen setzt und diese einzuhalten sind.

Hier besteht der Vorteil, dass „Picasso“ gegenüber fremden Menschen dennoch sehr aufgeschlossen und freundlich ist. Fremde Leute sollten ihm nicht direkt Leckerchen ins Maul schieben sondern ihm durch Zuneigung zeigen, dass man ihn gern hat und sich über ihn freut. Eine Bindung kann man bei ihm im besten Fall auch ohne Verstärkung von Futter herstellen.

Körpersprache ist gefragt.

Und damit lässt es sich auch gut mit Picasso trainieren. Er geht min. 1x die Woche mit mir in die Hundeschule, in der wir überwiegend mit Körpersprache arbeiten und eben nicht mit Leckerchen. Zugegeben, „Picasso“ würde einige Übungen mit der Motivation ein Leckerchen dafür zu bekommen wohl in manchen Fällen besser ausführen, doch dies ist nicht Ziel der Sache. Es ist Ziel, ein besseres Verhältnis zum Hund aufzubauen und sich auch ohne Futter so wichtig für den Hund zu machen, dass er einem folgt und auf einen hört. Hier zählt es ungemein verbindlich mit dem Hund zu bleiben!

Man muss sich die Zeit nehmen um Situationen mit „Picasso“ auszudiskutieren. Grauzonen sind im Training nicht förderlich. Vor allem bei so einem Kaliber wie Picasso, der gerne zu überschwänglich wird, wenn er Stress hat oder ihm etwas zu lange dauert.

Sein Verhalten ist hier auch oft amüsant anzusehen. Denn mit körpersprachlichem Druckaufbau kann er noch nicht gut umgehen und schlägt oft dazu um „lustig“ zu werden. Er versucht der Situation irgendwie zu entkommen und alles in ein Spiel zu lenken. Abzulenken.

Hier gilt wieder: verbindlich bleiben. Und wenn es für den Anfang nur 10 Sekunden sind, in denen der Hund das macht, was man ihm körpersprachlich mitteilen möchte.

Übungen funktionieren ohne Ablenkung schon relativ gut. Aber sobald ein anderer Hund, der Hundetrainer oder allgemein andere Menschen in der Nähe sind, ist der junge Rüde unkonzentrierter. Dies wird aber immer weiter fleißig geübt. Zudem werden die Standorte gewechselt. Nicht immer nur die gleiche Übung in gewohnter Umgebung. Nein, auch mal an Orten, die Picasso nicht kennt, Aufmerksamkeit von ihm einfordern oder an anderen Orten füttern. Sodass es im besten Fall völlig normal für den Hund wird.

Einen weiteren Vorteil, den „Picasso“ hat, ist es, dass auch ehrenamtliche Gassigänger mit ihm spazieren gehen. Hier besonders auf einen bestimmten Gassigänger bezogen. Dieser kann mit Picasso auch anders spazieren gehen, als jemand, der ihn jetzt zum ersten Mal mit an die Leine bekommen würde. Hier ist ebenfalls bereits eine bestimmte Bindung vorhanden. Die meisten Hundebegegnungen laufen ohne Probleme ab, nur bei freilaufenden(nicht hörenden) Hunden dreht Picasso dann auch gerne mal an der Leine hoch. In so einer Situation allerdings eine eher verständliche Reaktion.

Impulskontroll-Training kennt „Picasso“ ebenfalls und dieses funktioniert auch wirklich gut bei ihm. Er ist lernfähig und freut sich, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt.

 

 

 

Ausflüge werden auch immer mehr mit „Picasso“ geplant. Hier zeigt sich auch: Der große Herdenschutzhund ist wirklich kein Held!

In vielen Dingen ist er noch sehr unsicher und muss noch einiges von der Welt kennenlernen. Alles so positiv wie möglich. Und dies klappt auch sehr gut. Einen Ausflug in die Stadt hat er auch super über sich ergehen lassen. Trotz so vieler neuer Eindrücke war er dennoch freundlich und aufgeschlossen.

Grundkommandos, Auto fahren, Leinenführigkeit und die Verträglichkeit mit anderen Hunden sind wirklich kein Problem bei „Picasso“. Nun gut, die Leinenführigkeit je nach Situation ist ausbaufähig.

Den Kontakt mit anderen Hunden sollte „Picasso“ auch in Zukunft nicht verlieren. Er hat großen Spaß daran mit anderen Hunden zu interagieren.

Hier ist er aber tatsächlich noch etwas beratungsresistent, auch wenn sein Gegenüber ihm mehr als deutlich zu verstehen gibt: „ Ey Kumpel! Ich hab keinen Bock auf dich“. „Picasso“ findet das dann eher witzig und geht erst einmal in den Fluchtmodus. Aber auch wenn der andere Hund ihn erwischt und über ihn drüber läuft stört ihn das recht wenig. Er fängt dann lieber wieder an den anderen Hund zu bedrängen. Dies muss „Picasso“ aber ebenfalls weiterhin lernen. Auch wenn er bisher immer freundlich geblieben ist, muss er dennoch auf die Körpersprache des anderen Hundes hören um dann zu wissen wann Schluss ist.

Dies konnten wir gut durch den mehrfachen Besuch einer Raufergruppe beobachten. Die Hunde tragen alle Maulkorb, sodass bei Auseinandersetzungen nichts Schlimmes passieren kann. Dennoch können sich die Hunde körpersprachlich auseinandersetzen und man kann vieles am Verhalten ablesen. „Picasso“ diente hier sehr oft als „ Rammbock“ für andere eher sozial unverträglichere Hunde, die dann oftmals sehr verwirrt waren, wenn auf deren aggressive Aktion keine aggressive Reaktion kam sondern eher ein beharrliches Spielverhalten.

 

Für einen Hund wie „Picasso“ muss man eine gewisse Ausdauer mitbringen. Man muss Lust darauf haben mit einen Sturkopf zusammen zu arbeiten und auch Situationen im Alltag auszudiskutieren. Wenn man mit ihm am Ball bleibt und eine gute Bindung aufbaut, bekommt man einen treuen Begleiter, der aber eben seinen eigenen Kopf hat. Damit müssen seine zukünftigen Besitzer rechnen. Ist dies der Fall bekommt man selbst aber auch ganz viel von ihm zurück. Er kann ein richtiger Schmusebär sein und das Training mit ihm macht sehr viel Spaß auch wenn es durchaus mal frustrierend sein kann, wenn sich der Herdenschutzhund nichts sagen lassen möchte.

Es werden mit Sicherheit auch noch mehr Herausforderungen auf einen zukommen, wenn man den jungen Rüden bei sich Zuhause hat und er dann auch langsam sicherer wird. Dies bleibt unumgänglich. Ein Hund für absolute Anfänger ist „Picasso“ also nicht.

Doch Leute, die wirklich Lust und Spaß daran haben sich mit seinem Hund ernsthaft auseinander setzen zu wollen, werden in „Picasso“ einen guten Freund finden.